Donnerstag, 25. Juli 2013

Mein letzter Schultag

Ich musste eben intensiv an meinen letzten Schultag denken. Keine Ahnung warum.
Sommer 1990. Die Sonne scheint. Es ist warm.
Meine Mitschüler werden von ihren Eltern zur Schule gefahren.
Ich nicht.
Ich fahre alleine mit dem Bus zur Schule.
Meinen Eltern ist ein Urlaub auf dem Campingplatz in Holland wichtiger als mein Schulabschluss.
Alle tragen tolle Klamotten. Die Mädels teilweise richtig schicke Kleider.
Ich nicht.
Ich trage die gleichen schmuddeligen Klamotten, die ich auch einen Tag vorher an hatte. Mein Pullover ist total ausgeleiert und hatt ein Brandloch im linken Ärmel.
Deswegen habe ich die Ärmel hochgekrempelt.
Seltsam, an was für Details man sich nach so langer Zeit erinnert.

Natürlich gab es auch den obligatorischen Abschlussstreich. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, aber die Lehrer brauchten fast drei Wochen bis sie den Lehrplan, den wir komplett umgestellt hatten, wieder in der richtigen Reihenfolge hatten.

Die Turnhalle ist geschmückt. An einer Seite ist eine Art Bühne aufgebaut.
Darauf ein Podest mit Mikrofon.
Die Halle ist voll mit Stühlen. Eltern setzen sich Stolz zu ihren Kindern. Es wird viel geredet und gelacht.
Ich sitze alleine mittendrin.
Verschiedene Lehrer halten kurze Ansprachen.
Dann werden die Schüler einzeln aufgerufen, um ihnen die Zeugnisse zu überreichen.
Kamerablitze. Stolze Eltern schießen Haufenweise Bilder, wie ihre Kinder feierlich ihr Abschlusszeugnis in Empfang nehmen.
Ich werde aufgerufen. Gehe auf die Bühne. Mein Klassenlehrer sagt irgendwas zu mir. Ich sage irgendwas zurück.
Dann überreicht er mir mein Zeugnis.
Kein Kamerablitz.
Kein Foto.
Ich verlasse die Bühne und setze mich wieder hin.
Nachdem alle ihre Zeugnisse haben, folgt noch eine Schlussabsprache des Schuldirektors.
Nachdem seine letzten Worte verklungen sind, wird Musik gespielt.

Trude Herr.
Niemals geht man so ganz.

Schlagartig wird mir klar:"Das wars. Das ist der Abspann. Der Film Schule ist zu Ende. Hier musst, darfst, kannst du nie wieder hin. Es wird nie wieder so sein, wie es all die Jahre war." Tränen fließen bei meinen Klassenkameraden und es wird sich viel Umarmt. Auch ihnen wird scheinbar bewusst, dass hier gerade irgendwas Großes zu Ende ist.
Alle verlassen nach und nach die Turnhalle, steigen in ihre Autos und fahren schick Essen. Ich verlasse das Schulgelände. Gehe Richtung Bushaltestelle. Neben mir hält ein Auto. Eine Scheibe wird heruntergekurbelt.
"Sollen wir dich mitnehmen?"
Es ist die Mutter einer Klassenkameradin. Die Frau ist so Hoch wie Breit. Ich mag sie sehr. Sie ist ein unglaublich herzlicher, lauter Mensch. Ich setze mich zu Carmen, meiner Klassenkameradin, auf die Rücksitzbank. Sie war meine erste feste Freundin. Das war im sechsten Schuljahr. Die Mutter fährt mich nach Hause.
Zuhause. Keiner da, außer mir.
Ich lege mein Zeugnis auf den Küchentisch und mache mir ein Fertigessen warm.

Abends laufe ich zum Dorfgemeinschaftshaus. Es liegt ein paar Kilometer außerhalb des Dorfes im Wald. Wir feiern da noch eine Klasseninterne Abschlussfeier. In dem Haus dürfen wir nur feiern, weil der Vater von einem Klassenkamerad der Hüttenwart ist.
An die Feier selbst habe ich keine großen Erinnerungen, es sind nur einzelne Bilder.
Irgendjemand hat im besoffenen Zustand ein Loch in eine Kellerwand geschlagen.
Ich sitze mit ein paar Leuten vor der Hütte, rauche und trinke Bier.
Wir unterhalten uns.
Irgendwann verabschiede ich mich und verlasse die Feier. Wir sehen uns ja eh alle garantiert in der nächsten Zeit noch. Sind ja Ferien.
Ich gehe im Dunkeln nach Hause.
Irgendwie liegt Melancholie in der Luft.

Wir haben uns nicht nochmal gesehen. Bis auf zwei, drei, waren alle auf einmal weg.
Als ob sie nie existiert hätten.
Als ob ich mir die letzten sechs Jahre nur eingebildet habe.
Die Leute, mit denen ich all die Jahre Blödsinn gebaut habe, mit denen ich im Sommer Schwimmen war, oder auch mal Zelten. Die Leute, mit denen ich fünf bis sechs Tage die Woche in einer Klasse gesessen habe.
Weg. Von jetzt auf gleich.






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